Nichtdiskriminierung
Neben dem 1982 verabschiedeten „Weltaktionsprogramm für Menschen mit Behinderungen“ und den „Rahmenbestimmungen für die Herstellung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen“ aus dem Jahr 1993 ist die UN-Behindertenrechtskonvention die dritte Säule der Vereinten Nationen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen.
Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wurde ein Paradigmenwechsel eingeläutet. Das Übereinkommen reduziert Menschen mit Behinderungen nicht auf ihre medizinischen Bedürfnisse, sondern formuliert eine „soziale“ Definition von Behinderung. Demnach zeichnet sich Behinderung weniger durch individuelle Eigenschaften wie zum Beispiel körperliche Beeinträchtigungen aus, sondern vielmehr durch Barrieren in der Umwelt und durch negative Einstellungen der Mitmenschen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention bekräftigt, dass Menschen mit Behinderungen Trägerinnen und Träger von Menschenrechten sind und der Staat verpflichtet ist, diese zu achten, zu gewährleisten und zu schützen. Sie schafft aber keine Sonderrechte, sondern sie benennt konkret die universellen Menschenrechte aus der Perspektive der Menschen mit Behinderungen. Dazu greift sie auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und auf die wichtigsten Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen zurück.
Grundlegend dabei ist der Gedanke der Inklusion:
Menschen mit Behinderung gehören von Anfang an mitten in die Gesellschaft.
Artikel 5 Absatz 1 der UN-Behindertenrechtskonvention betont:
- alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich,
- vom Gesetz gleich zu behandeln,
- ohne Diskriminierung Anspruch auf den gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben.
Artikel 5 Absatz 2 wiederholt das Verbot der Diskriminierung aufgrund von Behinderung, das bereits in Artikel 4 Abs. 1 der Konvention verankert ist und verlangt einen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, unabhängig auf welchem Grund sie beruht.
Artikel 5 Absatz 3 verpflichtet die Vertragsstaaten geeigneten Schritten zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierungen zu treffen. Bereits nach der Definition von „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ in Artikel 2 wird das Versagen von angemessenen Vorkehrungen als eine Form der Diskriminierung gewertet.
Nach Artikel 5 Absatz 4, besondere Maßnahmen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens.
Die Europäische Union ist selbst Vertragspartei der UN-Behindertenrechtskonvention, die am 22. Januar 2011 für die EU in Kraft trat. Alle EU-Mitgliedstaaten haben sie unterzeichnet und ratifiziert. Jedes EU-Land ist somit verpflichtet, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu schützen. Außerdem haben 22 EU-Länder im Januar 2019 das Fakultativprotokoll zur UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet und ratifiziert, mit dem ein individuelles Beschwerdeverfahren eingerichtet wurde. Auf EU-Ebene koordiniert die Europäische Kommission die UN-Behindertenrechtskonvention. Da sie durch die Ratifizierung ein wesentlicher Bestandteil der EU-Rechtsordnung geworden ist, haben alle europäischen Richtlinien und Maßnahmen mit ihren Vorschriften übereinzustimmen. Die EU ist verpflichtet, das Übereinkommen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und unter Berücksichtigung der europäischen Verträge umzusetzen.
In der Bundesrepublik Deutschland dienen eine Reihe von Vorschriften dem Schutz vor Diskriminierungen, angefangen mit dem grundrechtlichen Schutz in Artikel 3, Absatz 3, Satz 2 der Verfassung, wonach u.a. niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Diese Vorschrift bindet in erster Linie die öffentliche Gewalt, entfaltet aber über Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe eine mittelbare Rechtswirkung („Drittwirkung“) auch für das Privatrecht.
Ziel des Behindertengleichstellungsgesetzes ist die Benachteiligungen von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen. Das Benachteiligungsverbot wird in § 7 für die Träger öffentlicher Gewalt nochmals ausdrücklich wiederholt und bestätigt.
Nach § 1 SGB IX erhalten behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.
Wie gut Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzt, prüfte der UN-Fachausschuss erstmals 2015. Die zweite Staatenprüfung fand 2023 statt. In der Anhörung zur zweiten Staatenprüfung im August 2023 ist deutlich geworden, dass Deutschland seit der letzten Staatenprüfung 2015 viel auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft erreicht hat. Zudem wurde mehrfach die Vorreiterrolle Deutschlands unter den Vertragsstaaten angesprochen, insbesondere bei Menschenrechten und Diversität. Die kritischen Rückfragen konzentrierten sich unter anderem auf die Themenbereiche Bewusstseinsbildung, Barrierefreiheit im privaten Sektor, rechtliche Betreuung, Gewaltschutz, den Umgang mit geflüchteten Menschen mit Behinderungen, inklusive Bildung und die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben.
Den Begriff Ableismus wird man in einem deutschen Gesetz zwar vergeblich suchen. In Artikel 8 der UN-Behindertenrechtskonvention zur Bewusstseinsbildung wird deutlich gemacht, dass die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen im Denken der Menschen beginnt – in „Klischees, Vorurteilen“ und in unbewussten „schädliche Praktiken“. Das Fachwort Ableismus kommt aus dem Englischen und bezeichnet die ungerechtfertigte Denk- und Verhaltensweisen Ungleichbehandlung („Diskriminierung“) wegen einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung oder aufgrund von Lernschwierigkeiten, aber auch wegen einer wahrnehmbaren Fähigkeit des Behindertseins, worüber Menschen mit Behinderungn bewertet werden. Eine Diskriminierung kann auch eine positive Äußerung sein. Zum Beispiel, wenn Menschen mit Behinderungen beim Erledigen von ganz alltäglichen Dingen immer wieder hören, wie toll es ist, dass sie das „schaffen“.
Noch hilfreiche Links, die wir gern für Sie aufgelistet:
- https://www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Politik-fuer-Menschen-mit-Behinderungen/Behindertenrechtskonvention-der-Vereinten-Nationen/behindertenrechtskonvention-der-vereinten-nationen.html
- UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Europäische Kommission
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